Neue Forschungsgruppe CoPLA am IPN gestartet

Zum 1. Mai 2025 ist am IPN die Forschungsgruppe „CoPLA – Kollaboratives Problemlösen in der Lehrkräftebildung“ unter der Leitung von Dr. Anika Radkowitsch gestartet. Gefördert für vier Jahre, widmet sich die Gruppe einer zentralen Fragestellung der Lehrkräftebildung: Wie können angehende Lehrkräfte gezielt darin unterstützt werden, Fähigkeiten zur kollaborativen Unterrichtsplanung zu entwickeln?
Kollaboration zwischen Lehrkräften kann zu einem Unterricht beitragen, der sowohl lebenswelt- als auch kompetenzorientiert ist. Die CoPLA-Gruppe untersucht kollaboratives Problemlösen im spezifischen Kontext der Planung von fächerübergreifendem Unterricht – mit besonderem Fokus auf die Fächer Mathematik und Biologie. Dabei geht es um mehr als reine Arbeitsteilung: es sollen Kollaborationsprozesse gefördert werden, bei denen durch das gemeinsame Lösen komplexer Aufgaben neues Wissen entsteht.„Kollaboratives Problemlösen ist anspruchsvoll, gleichzeitig bietet es aber auch besondere Potentiale. So können beispielweise Ressourcen gebündelt und verschiedene Perspektiven in die Unterrichtsplanung eingebracht werden“, erklärt Leiterin Anika Radkowitsch, die seit 2021 am IPN tätig ist.
Ein weiterer Schwerpunkt der Forschung wird zudem der Einsatz von KI in diesem Kontext sein: die Forschungsgruppe setzt hierfür auf agentenbasierte Simulationen, in denen Lehramtsstudierende gemeinsam mit KI-basierten Agenten Unterricht planen. Ziel des Projekts ist es, effektive Bedingungen für das Lernen mit solchen KI-basierten Agenten zu identifizieren und die Wirksamkeit unterstützender Maßnahmen zu evaluieren. Die Forschung baut dabei auf dem IPN-Projekt „Kopilot“ auf, in dessen Rahmen bereits eine Simulation und Lernmaterialien entwickelt wurden.
„Kollaboratives Problemlösen ist anspruchsvoll, gleichzeitig bietet es aber auch besondere Potentiale. So können beispielweise Ressourcen gebündelt und verschiedene Perspektiven in die Unterrichtsplanung eingebracht werden."
Eng kooperieren wird die Gruppe mit Prof. Dr. Daniel Sommerhof, dem stellvertretenden Direktor der IPN-Abteilung Didaktik der Mathematik, sowie Prof. Dr. Michael Sailer von der Universität Augsburg, dessen Forschungsschwerpunkte unter anderem technologiebezogene Lehrkräftebildung und KI in der Bildung umfassen.
Wir haben mit Anika Radkowitsch über ihre wissenschaftliche Laufbahn, die Relevanz von Kollaboration in der Lehrkräftebildung und ihre Pläne mit der neu gebildeten Forschungsgruppe gesprochen:
IPN: Wie sind Sie im Rahmen Ihrer Laufbahn zum Thema „kollaboratives Problemlösen in der Lehrkräftebildung“ gekommen und was hat Sie dazu motiviert, eine eigene Nachwuchsforschungsgruppe zu diesem Thema anzustreben?
Dr. Anika Radkowitsch: Schon seit meiner Promotion beschäftige ich mich damit, wie Menschen im Rahmen ihrer Beruflichen Bildung lernen, in Zusammenarbeit mit anderen Probleme zu lösen. Während meiner Promotion habe ich mich dabei auf die Zusammenarbeit zwischen Ärzt*innen fokussiert und untersucht, wie Medizinstudierende lernen können gemeinsam mit anderen Ärzt*innen zu diagnostizieren. Seit meiner Zeit am IPN habe ich vorwiegend dazu geforscht, wie Lehramtsstudent*innen lernen diagnostische Probleme zu lösen. So habe ich zum Beispiel untersucht, wie Mathematik-Lehramtsstudierende, wenn sie einschätzen möchten, wie gut ein*e Schüler*in einen spezifischen mathematischen Unterrichtsinhalt verstanden hat und welche Rolle dabei ihr Vorwissen und ihre Motivation spielen. Wie Menschen lernen zu kollaborieren und wie Lehrkräfte professionelle Kompetenzen entwickeln sind also Themen, die mich in meiner Forschung schon länger beschäftigen. Die Forschungsgruppe ermöglicht es mir, die beiden Themen zusammenzubringen, dadurch neue Perspektiven und Themen in das IPN einzubringen und eigenständig eine Gruppe zu führen.
IPN: Warum ist kollaboratives Problemlösen für Lehrkräfte besonders relevant?
Dr. Anika Radkowitsch: Kollaboratives Problemlösen bedeutet, dass Lehrkräfte ein gemeinsames Ziel verfolgen und um dieses zu erreichen ihr jeweiliges Wissen aufeinander beziehen müssen. Dabei entsteht durch die Entwicklung neuer Lösungen für das Ziel oft neues Wissen. Ein Beispiel dafür – das wir auch in der Forschungsgruppe CoPLA untersuchen – ist die Planung und Durchführung von fächerübergreifendem Unterricht. Die Zusammenarbeit beim kollaborativen Problemlösen geht also über die „normale“ Zusammenarbeit wie beispielsweise den Austausch von Unterrichts- oder Fortbildungsmaterialien oder das Aufteilen von Aufgaben zwischen Lehrkräften hinaus. Kollaboratives Problemlösen ist besonders anspruchsvoll, gleichzeitig bietet es aber auch besondere Potentiale. Insbesondere können Ressourcen gebündelt werden und die unterschiedlichen Lehrkräfte können ihre verschiedenen Perspektiven auf Schüler*innen und Lerninhalte in die Planung und Durchführung von Unterricht einbringen. Darüber hinaus können Lehrkräfte durch die Zusammenarbeit mit anderen Feedback auf und Reflexionsanlässe für das eigene unterrichtliche Handeln bekommen und dadurch ihre professionellen Kompetenzen weiterentwickeln. Alles in allem führen gute Fähigkeiten für kollaboratives Problemlösen dazu, dass einzelne Lehrkräfte entlastet werden und Unterrichtsqualität gesteigert werden kann.
IPN: Sie fokussieren sich auf die Planung und Überarbeitung von fächerübergreifendem Unterricht in Mathematik und Biologie. Warum gerade diese Fächer?
Dr. Anika Radkowitsch: Ich fokussiere mich auf die Planung und Überarbeitung von fächerübergreifendem Unterricht in Mathematik und Biologie, weil mir diese diese Fächerkombination besonders interessant erscheint und ich denke, dass durch ihre Vernetzung sowohl der Wissenserwerb als auch die Motivation der Schülerinnen und Schüler nachhaltig gefördert werden kann. Was diese Kombination besonders interessant macht, ist, dass Mathematik und Biologie auf den ersten Blick wenig gemeinsam zu haben scheinen. Bei näherer Betrachtung offenbaren sich jedoch zahlreiche Bezüge. Um Biologie als wissenschaftliche Disziplin zu verstehen, braucht es oft mathematische Fähigkeiten, etwa bei der Interpretation von Diagrammen oder statistischen Auswertungen von biologischen Experimenten. Gleichzeitig bietet die Biologie einen lebensnahen Anwendungskontext für mathematische Konzepte, wodurch abstrakte mathematische Inhalte in einem realitätsnahen, lebensweltlichen Rahmen eingebettet werden können. Ein Beispiel hierfür wären Pandemien, die man sowohl aus biologischer Sicht (Was sind Viren und wie verbreiten sie sich? Wie wirken Viren auf den menschlichen Körper?) als auch aus mathematischer Sicht (Wie kann man die Ausbreitung von Viren modellieren und an welche Grenzen stoßen solche mathematischen Modelle?) betrachten kann. Die Verbindung dieser beiden Perspektiven macht den Unterricht für die Schülerinnen und Schüler nicht nur greifbarer, sondern auch relevanter.
IPN: Sie sprechen von agentenbasiertem kollaborativen Problemlösen mit KI. Können Sie das Prinzip kurz erläutern? Welche Vorteile bieten KI-basierte Agenten für das Training von kollaborativen Kompetenzen?
Dr. Anika Radkowitsch: Beim agentenbasierten kollaborativen Problemlösen arbeiten Lehramtsstudierende in Simulationen mit auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierten, simulierten Personen zusammen. Diese KI-Agenten können flexibel auf freie Textnachrichten reagieren und anders als bisherige klassische Computersimulationen ermöglichen sie authentischere Interaktionen. Dadurch können wir mit relativ geringem Aufwand standardisierte Übungsmöglichkeiten bieten: Lehramtsstudent*innen des Faches Mathematik planen gemeinsam mit einer KI-basierten Biologie-Lehrkraft fächerübergreifenden Unterricht. Die KI-basierte Biologie-Lehrkraft kann dabei, individuell an die Bedrüfnisse der Lernenden angepasste Unterstützung bieten, zum Beispiel indem sie die Kollaborationsprozesse strukturiert oder deren Motivation unterstützt. Durch die unterstütze Planung von fächerübergreifendem Unterricht sollen die Lehramsstudierende lernen, kollaborativ Probleme zu lösen.
IPN: Welche konkreten Forschungsfragen werden in Ihrer Nachwuchsforschungsgruppe untersucht?
Dr. Anika Radkowitsch: Unsere Forschung konzentriert sich auf zwei zentrale Bereiche: Zum einen schauen wir auf die Entwicklung von agentenbasierten Simulationen für die Bildungsforschung. Hier systematisieren wir vorhandene Forschung um zu untersuchen, in welchen Kontexten und für welche Zwecke Forschung zu agentenbasiertem kollaborativem Problemlösen durchgeführt wird und wie sich die KI-basierten Agenten unterscheiden. Zum anderen möchten wir effektive Bedingungen für die individuelle Förderung kollaborativen Problemlösens identifizieren. Insbesondere möchten wir untersuchen, inwiefern KI-basierte Agenten eingesetzt werden können, um die Motivation sowie Kollaborationsprozesse von Lehramtsstudierenden in Abhängigkeit von deren Eigenschaften tatsächlich zu fördern.
IPN: Wie könnte Ihre Forschung die Lehrkräftebildung in Zukunft konkret verbessern?
Dr. Anika Radkowitsch: Unser Ziel ist es, durch die Integration von KI-basierten Simulationen systematische Übungsmöglichkeiten für kollaboratives Problemlösen zu schaffen, die bisher in dieser Form nicht oder nur sehr sporadisch existieren. Mit solchen Simulationen würden angehende Lehrkräfte die Möglichkeit erhalten, in einem geschützten Rahmen ihre kollaborativen Kompetenzen zu entwickeln. Die Erkenntnisse aus unserer Forschung sollen direkt in die Praxis überführt werden, indem wir die basierend auf unseren Forschungsergebnissen entwickelte KI-basierte Simulation Studierenden zugänglich machen. So tragen wir dazu bei, dass künftige Lehrkräfte besser auf die Herausforderungen der modernen Schulwelt vorbereitet sind.