Der Begriff 'Rasse' in der Humangenetik – wie Bildung Rassismus vorbeugen kann

In einem Artikel in der Fachzeitschrift Science schlagen Forscherinnen und Forscher vor, dass die Humangenetik mehr soziale und politische Faktoren berücksichtigen sollte. Prof. Dr. Ute Harms, Leiterin der Biologie-Didaktik am IPN, ist Teil dieser Gruppe und erklärt die Empfehlungen.

Warum ist Humangenetik wichtig?

Biologen und Biologinnen betrachten Rassismus aus einer naturwissenschaftlichen Perspektive. Aber der Begriff 'Rasse' ist gesellschaftlich problematisch und hat viel Leid verursacht. Das Konzept der 'Rasse' ist auch biologisch nicht haltbar und ist nicht auf den Menschen anwendbar. In der Hochschullehre wird dieses Problem nicht genug betont. Das kann zu Problemen führen, wenn zukünftige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diese Aspekte nicht verstehen.

Welche Empfehlungen geben Sie?

Wir empfehlen, auch soziale und politische Aspekte zu berücksichtigen. Es ist wichtig zu verstehen, dass die äußeren Bedingungen genetische Veranlagungen beeinflussen können. Zum Beispiel haben Menschen in armen Verhältnissen oft eine schlechtere Ernährung, was zu Gesundheitsproblemen führen kann. Menschen mit schwarzer Hautfarbe leben oft in benachteiligten Verhältnissen, besonders in den USA. Das liegt nicht an biologischen Gründen, sondern an sozialen und politischen Bedingungen.

Wie kann der Genetikunterricht verbessert werden?

In Deutschland sollten Schulbücher überarbeitet werden. Soziale und politische Aspekte sollten stärker betont werden. Im Biologieunterricht könnte man den historischen Kontext von genetischen Entdeckungen einbeziehen.

Welche Reflexionen regen Sie an?

Es wäre wichtig, genetische Entdeckungen in einen historischen Kontext zu setzen und dies im Biologieunterricht zu berücksichtigen. Ein Beispiel ist das Humane Genomprojekt der 1990er Jahre. Damals dachten wir, dass Gene allein für Merkmale verantwortlich sind. Heute verstehen wir, dass auch Umweltfaktoren eine Rolle spielen.

Ein trauriges Beispiel dafür ist die große Hungersnot in den Niederlanden während des Zweiten Weltkrieges, bei der etwa 20.000 Menschen innerhalb kurzer Zeit verhungerten. Diese Ereignisse führten zu epigenetischen Veränderungen, die auch die nachfolgenden Generationen beeinflussten.

Es ist wichtig, dass Schülerinnen und Schüler sich mit aktuellen Studien auseinandersetzen, um soziopolitische Aspekte zu verstehen und die Wissenschaft kritisch zu betrachten.

Wie kam der Artikel in Science zustande?

Die Idee entstand vor acht Jahren in einer Gruppe von internationalen Bildungswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern. Wir haben uns intensiv mit dem Thema Genetikunterricht beschäftigt und schließlich gemeinsam den Artikel geschrieben.

Planen Sie weitere Projekte?

Wir werden uns dieses Jahr in Schweden treffen und könnten dort ein neues Thema diskutieren, aus dem möglicherweise ein weiterer Artikel entsteht.

Das Gespräch führte Mareike Müller-Krey.

Der Science-Artikel "The sociopolitical in human genetics education" sowie ein Beitrag des Deutschlandfunks zum Thema stehen unter „Weitere Informationen" kostenlos zur Verfügung.

Weitere Informationen

Kontakte